Irina aus dem Sonstwo

Irina Rosanowski © Jan SobottkaWo ist dieses Sonstwo, dem die hübsche gedankenreiche Frau entsprungen ist? Im Wald, aus dem sie oftmals betont zu kommen? Im Großstadtdickicht von Berlin, wo sie vor 5 Jahren ihr Atelier aufschlug und wo sie sich zuhause fühlt, wie an sonst keinem Ort auf diesem Planeten? Ist es ein Ort in ihrer Seele, ein Zustand in meiner eigenen? Was oder wo dieses Sonstwo wirklich ist lässt sich wohl am besten auf einer Reise tief in das farbintensive und zauberhafte Werk von Irina Rosanowski ergründen. Aber will es ergründet werden, das Sonstwo? Vielmehr als unseren Verstand soll es unsere Sinne berühren und fordern.

Atelierbesuch Irina RosanowskiIch komme dennoch nicht umhin nach dem Schlüssel für ihre rätselhafte Symbolik zu suchen, als ich an einem dieser letzten herrlichen Sommertage in Irina’s Küche in der Liebigstrasse stehe, versunken in ein dunkles Bild in dessen Hintergrund wie in einer Traumblase ein Holzhaus steht. Im Vordergrund sitzt ein Rabe auf einem Ast, der die Kulisse einrahmt und überwuchern zu wollen scheint. Der Ast trägt ein Nest mit einem Ei. Der Rabe schaut zum Haus während sich noch eine Ebene weiter vorne zwei Pilze aneinander schmiegen.

Irina‘s Bilder und Filme entstehen auf der Ebene des Märchenhaften, Unbewussten. Manchmal wacht sie morgens mit einem Gefühl auf, das einem Traum entsprungen ist. Sie kann dann einfach nicht anders, als diese Stimmung mit den ihr zur Verfügung stehenden kreativen Mitteln umzusetzen. Sie nutzt aber auch Visionen aus der Meditation die in ihren Filmen inszeniert werden. Ein Dialog mit sich selbst aber vor allem auch mit dem Publikum, getrieben von der Frage ob diese oft surrealen Erlebniswelten nur ihr geschehen oder ob sich auch andere dafür interessieren könnten. Nicht immer kennt sie dabei die klare Botschaft ihrer Bilder aber oftmals bemerkt sie die Verwandtheit zur Kunstgeschichte. Das Sonstwo könnte der Ort sein, dem auch Goyas Monster und Hexen entsprungen sind.

Figur Wahrnehmungschirurgie © Irina RosanowskiIn ihrem Studium der Visuellen Kommunikation hat Irina begonnen sich eine Technik anzueignen, die zu ihrem ganz persönlichen Steckenpferd geworden ist: Knetanimationsfilme. Vielleicht war es ihre frühe Liebe zu Lucy, dem Schrecken der Strasse, der diese Leidenschaft geprägt hat. In ihrer Straße, der Liebigstrasse, die durch Hausbesetzungen und Räumungsklagen bekannt geworden ist, ist sie aber alles andere als der Schrecken. Irina zahlt fleissig ihre Miete und ist mit ihrer Kunst aktiv daran beteiligt die Angst und den Schrecken der menschlichen Seele dem Licht zu überführen und ihm seine Massivität zu nehmen.

So entstand „Die fröhliche Angst“  an einem trüben Novembertag. Wiehernde Pferde wechseln sich auf der Bühne mit dem knusperndem Krümelmonster und mit Federn gespickten Knetvögeln in einem bunten Reigen ab. Für Irina ist das kreative Ausagieren und Umwandeln negativer Empfindungen auch ein Mittel mehr Licht in die eigene Seele zu zaubern. Die Zukunft wird zeigen ob sich diese Methode der Depressionsbewältigung in den hiesigen psychiatrischen Kliniken etablieren wird.

Das Maerchen von der Zeitlosigkeit © Irina RosanowskiFilmsequenzen, Fotos, Knete, das sind die Schauspieler und Kulissen, die in Irina’s Clips interagieren. Zudem beginnen ihre Gemälde in ihren Filmen ein Eigenleben zu entwickeln, sich zu bewegen, sich aus ihrer statischen Haltung herauszubewegen. Manchmal legt die multimediale Künstlerin für eine Animation bis zu 30 Ebenen übereinander. Dabei arbeitet sie sich von hinten nach vorne durch, wie beim Lasieren eines Bildes. Ihre Trickküche besteht aus einfachen Folien die zu einem kosmischen Himmel werden, oder Watte die sich wie in der Augsburger Puppenkiste in Rauch verwandelt. Alles andere ist Zauberei die hier nicht weiter entlarvt werden soll. Zauberei und eine Menge Arbeit.

Atelierbesuch Irina Rosanowski

Dabei entstehen oft Kooperationen mit Künstlern aus anderen Genres. Der Dichterin Lydia Gebel entstammt zum Beispiel die Lyrik aus dem Filmchen „Nein ist Sein“. Ein ehemaliger Opernsänger übernimmt gelegentlich den sprachlichen Teil. Der Multiinstrumentalist Christian Rosenkranz aus Hannover hat ihre 13 Filme aus dem Sonstwo vertont. Am Anfang steht meist eine leise Idee die sich im Telefonat mit Christian konkretisiert obwohl die beiden meist über ganz andere Dinge sprechen. Während Bilder, Malerei an den Raum gebunden sind macht das Medium Musik es möglich vermehrt Emotionen zu transportieren. Die Musik dient dazu Stimmungen umsetzen, es geht um Geschichten die ähnlich wie Traumsequenzen nicht auf einem zeitlichen Strang ablaufen. So erschafft Irina auch keine abendfüllenden Spielfilme sondern Videoclips die 30 Sekunden bis 3 Minuten andauern können. Bei einem täglichen Arbeitspensum von 8-9 Stunden kann es dabei schonmal 2-3 Tage dauern bis eine einzige Minute eines Films steht.

Ist sie eher Malerin oder sieht sie sich selbst als Filmemacherin? Die Antwort hierauf ist ganz einfach: Wenn sie malt ist sie Malerin, wenn sie Filme macht, macht sie ihre Filme. Bilder sind ihr Zuhause, Filme sind ihr Vehikel um sich in der Welt zu bewegen. Allerdings war die Malerei zuerst da! Bereits als Schülerin hatte Irina erste Ausstellungen. Die Leidenschaft für’s Filmemachen wurde während ihres Studiums geweckt. Momentan sind die Filme ein bisschen wichtiger, weil auch die Sprache dort ihren Platz bekommt. Die meisten Menschen reagieren auf Sprache, so ist es einfacher sie hiermit abzuholen. Zu diesem Zweck hat Irina kürzlich auch eine DVD mit individuell handgefertigten Hüllen fertiggestellt. Neben ihren Filmen aus dem Sonstwo gibt es hierauf Musikvideos die Irina für Bands aus Rock und Pop gedreht hat oder kleine Filmsequenzen, die man netten Menschen als Antwort schicken kann. Ein Film zum „Danke“ sagen oder einer, der mit „Wir kommen“ eine Einladung annimmt.

Atelierbesuch Irina Rosanowski

Und eine Botschaft zum Schluss? „Wenn eine Botschaft bestehen sollte, dann fordere ich den Menschen auf wieder mehr in sich hineinzugucken, nicht draussen nach irgendwelchen Erlösern zu suchen. Jeder hat da einen großen Schatz in sich, glaube ich“.

Das vielseitige Werk von Irina kann man auf ihrer Internetseite www.rosanowski.de kennenlernen. Zudem sollte der interessierte Kunstliebhaber es nicht verpassen die Seite ihrer Künstlergruppe Phaeton zu besuchen.

Text und Fotos: © Daniela Wolter, Portraitfoto von Irina Rosanowski: © Jan Sobottka

 

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