Eine „phantastische“ Freundschaft auf Papier

Façade..., and I © Ellen LórienZum 90. Geburtstag der Malerin Ellen Lórien 

Gegen Ende der 70er Jahre, stand ich bei einem Besuch der Kunstmesse Art Basel plötzlich zwei Menschen gegenüber, die mich auf unerklärliche Weise schon durch ihre Erscheinung faszinierten. Wir kamen ins Gespräch und ich erfuhr, dass es sich um die niederländische Malerin Ellen Lórien und ihren Ehemann Frans van den Berg –  in Kunstkreisen besser unter dem Namen Johfra bekannt – handelte.

Ich erzählte von meiner Sammlung, die damals in der Anfangsphase aus postkartengroßen Zeichnungen bestand, die mir Künstlerinnen und Künstler auf meine Bitte hin geschenkt hatten. Wir verabredeten, dass ich den beiden schreiben sollte und sie beteiligten sich später mit postkartengroßen Zeichnungen an meiner Sammlung. Damals ahnte ich noch nicht, dass das der Beginn einer Brieffreundschaft werden sollte, die bis heute mit einigen Unterbrechungen angehalten hat. Bald gingen die Briefe die wir uns schrieben in ein vertrautes „du“ und in den privaten Bereich über. Dabei blieb es nicht aus, dass ich begann mich mit dem Leben von Ellen auseinanderzusetzen. Einem Leben, das mit all seinen Höhen und Tiefen spannender nicht sein kann.

Als Ellen de Jonge wurde sie am 16. März 1924 im niederländischen Utrecht geboren. Nach einer wohlbehüteten Kindheit verließ sie schon sehr früh ihr Elternhaus um ein eigenständiges Leben zu führen.

Damals zog es sie nach Frankreich, wo sie 1950 endgültig in Paris hängenblieb, da der unkonventionelle Lebensstil der Bohemians ihrer Gedankenwelt am nächsten kam. Zusammen mit dem Musiker Sjoerd de Jong bezog sie ein am Ufer der Seine liegendes Hausboot und während Sjoerd ihren Lebensunterhalt als Straßenmusiker verdiente, trug Ellen ihr Scherflein mit Aquarell-Portraits von Kindern dazu bei.

Selbstportrait © Ellen Lórien

Wenn auch anfangs nicht immer alles so verlief wie die beiden es sich wünschten, kam als Sjoerd beim Moulin Rouge Arbeit fand, doch eine unbeschwerte Zeit auf. Nicht weit von ihrem Hausboot war das Boot von Maurice Chevalier vertäut und mit Freunden wie Julietta Greco oder Charles Aznavour verbrachte man so manchen stimmungsvollen und romantischen Abend.

Nach vier Jahren ging die Beziehung auseinander und Ellen begann an der legendären Kunstschule La Grande Chaumière am Montparnasse ein Studium. Aus dieser Kunstschule gingen viele namhafte Künstlerinnen und Künstler hervor und ein Vorteil war, dass man sich auch nur für Wochen, Tage und sogar Stunden einschreiben konnte, was Ellen sehr entgegen kam. Immer suchte sie in dieser Zeit nach einer Art von Kunst, mit welcher sie ihre Gefühle ausdrücken konnte und fand auf diese Weise zu einer figurativen Malerei.

Als sie später ihre Studien in Holland weiterführte, lernte sie die Malerin Diana Vandenberg und den Maler Johfra kennen, deren Beziehung damals langsam zu Ende ging. Nach einem Umzug nach Amsterdam folgte ihr Johfra und die beiden beschlossen, mit Gedanken an gegenseitige Inspiration zusammen zu leben.

Eines Tages zog es Ellen und mit ihr auch Johfra wieder nach Frankreich zurück und sie lebten für etliche Jahre in einer Hütte in der Klippenlandschaft um Nizza. Als es Ihnen  – nicht zuletzt bedingt durch Verkaufserfolge – besser ging, kauften sie eine renovierungsbedürftige alte Mühle in der Dordogne, die unterhalb eines Schlosses gelegen war. Nach und nach renovierten sie das Gebäude und gaben ihm den Namen Moulin du Peuch. Ihre Bilder signierte Ellen schon in dieser Zeit mit Ellen Lórien als Hommage an den von ihr verehrten Schriftsteller J.R.R. Tolkien, der in seiner Romantrilogie „Der Herr der Ringe“ einem Waldgebiet, bewohnt von Elfen und Kobolden, diesen Namen gegeben hatte.

Immer wieder bereiste sie Länder wie Indien und Ägypten, um sich deren Kulturen zu widmen und war mit ihrer Malerei sehr erfolgreich. Sie gründete an ihrem Wohnort die Galerie „La Licorne“ und war in jenen Jahren zusammen mit Johfra und einigen anderen Künstlern Mitglied der Gruppe Meta-Realisten, die nach großen Ausstellungserfolgen 1976 auseinander fiel.

Einen schweren Verlust erlitt Ellen, als Johfra schwer erkrankte und 1998 verstarb. Nach dem Verlust ihres geliebten Mannes und einer Phase der Ruhe und Einkehr, nahm sie ihre Malerei wieder auf und ist bis zum heutigen Tage eine aktive, bewundernswerte Frau und Malerin geblieben. Ich bin sehr stolz, dass ich sie auf einem Abschnitt ihres Lebensweges begleiten durfte und auch unser Kontakt bis heute nicht ganz abgerissen ist.

Zu bemerken wäre noch, dass mir Ellen für mein Projekt PHANTASTIK IN DER BOX – SAMMLUNG WESTERMANN noch 2010 eine meiner Objektboxen bemalte und mich auf ihren in den Niederlanden lebenden Neffen Bruce de Jonge, einer ihrer letzten Verwandten aufmerksam machte, der sich gleichfalls mit einer phantastischen Arbeit an meiner Sammlung beteiligte.

Liebe Ellen, es war mir einfach wichtig, Dir auf diese Weise meine Bewunderung auszusprechen und möchte Dir, auch im Namen meiner Frau Hannelore, ganz liebe Glückwünsche zum 90. Geburtstag übermitteln.

Günter Westermann
PHANTASTIK IN DER BOX – SAMMLUNG WESTERMANN

Foto oben: „Façade…, and I“, 2004, Öl auf Holz
Foto unten: „Selbstportrait“, Bleistift und Rötel, Sammlung Westermann

3 Gedanken zu „Eine „phantastische“ Freundschaft auf Papier

  • 23.04.2014 um 10:32 Uhr
    Permalink

    Danke, für diesen wundervollen, sehr persönlichen und informativen Einblick in das Leben und Schaffen dieser außergewöhnlichen Persönlichkeit und „Phantastische“ Malerin.
    lG Anne Varnhorn

  • 18.03.2014 um 22:41 Uhr
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    Lieber Günter,

    auch ich fand deinen Bericht über die Malerin Ellen Lórien zu Ihrem 90.Geburtstag sehr gelungen.
    Deine Worte über Ihr Leben und Eurer langjährigen Freundschaft haben mich berührt.
    Eine tolle Malerin mit WUNDERschönen Arbeiten.

    Lieber Gruß
    helga

  • 14.03.2014 um 11:05 Uhr
    Permalink

    Lieber Günter !

    Es ist eine Freude den Artikel aus Anlass des 9O. Geburtstages der Malerin Ellen Lórien zu lesen.
    Wir finden Deine Worte fűr ihren Lebensweg, eurer langjährigen Freundschaft sehr einfühlsam,
    aber auch informativ über ihr gemeinsames künstlerischen Schaffen mit ihrem Ehemann Johfra.
    Wir haben immer ihre schönen, poetischen Arbeiten bewundert, die auch in Deiner Sammlung zu sehen sind.
    Wir danken Dir für Dein unermüdliches Angagement für die phantastische Kunst !

    Hellmut und Margit Neukirch

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