Im Gespräch mit Axel Neumann
Die phantastische Kunst umfasst sehr viele verschiedene Strömungen, die sich unter anderem auch dadurch definieren, woher der Künstler die Ideen zu seinen Motiven nimmt. Eine davon ist die Visionary Art Bewegung, die sich einer stetig wachsender Fangemeinde erfreut, es werden weltweit sogar sogenannte Visionary Art Festivals veranstaltet, die überaus gut besucht werden.Von Axel Neumann, den ich definitiv zu den visionary artists, also den visionären Künstlern zähle, habe ich erst vor Kurzem zum ersten Mal gelesen. Es freut mich, diese (zumindest für mich) „Neuentdeckung“ in Form eines Interviews näher vorstellen zu dürfen.
Sigrid: „Lieber Axel, es freut mich, dass du dir die Zeit für dieses Interview nimmst. Visionäre Künstler haben ja meist einen speziellen Zugang, eine Quelle, aus der die Inspiration für ihre Arbeiten kommt, häufig veränderte Bewusstseinszustände wie z.B. Meditation. Dein prägendes Erlebnis war ein dreiwöchiger Rückzug in die absolute Dunkelheit. Wie kam es dazu und was für Erlebnisse hattest du während dieser Zeit?“
Axel: „Ich wollte meinen Horizont durch eine Extremsituation erweitern. Damals war ich noch am Theater. Als Schauspieler bin ich gern das, was ich den Menschen vorgebe zu sein. Ich verschmelze mit meinen Rollen. Jeder von uns trägt ein ungeheures Universum an Charakteren in sich und meine Aufgabe als Menschendarsteller ist es, die für den Film oder das Stück benötigte Facette aus mir herauszuholen. Ich wollte die Theaterferien nutzen, um meine eigene innere Stimme wieder stärker wahrzunehmen. Dafür isolierte ich mich in meiner vollständig abgedunkelten Einzimmerwohnung. Irgendwann fing ich an, Bilder in mir drin zu sehen, in ungeheurer Menge und Vielfalt. Und in rascher Abfolge. Du darfst dir diese Erfahrung aber nicht als etwas Spektakuläres vorstellen. Nur die ersten paar Minuten waren ein wenig beängstigend, aber dann wurde es rasch selbstverständlich. Es fühlte sich vollkommen natürlich an.“
Sigrid: „Ich finde es sehr mutig, sich so einer Extremsituation auszusetzen – über einen so langen Zeitraum hinweg. Doch du hast damit eine sehr wertvolle Erfahrung und den Zugang zu deiner inneren Welt gefunden. Die angesprochenen Bilder setzt du ja in deiner Kunst um. Hast du immer noch diesen Zugang oder malst du aus der Erinnerung daran?“
Axel: „In die andere Welt tauche ich nur manchmal ein und nur kurz. Diese Momente passieren mir, ich kann sie nicht steuern. Alles andere male ich aus der Erinnerung.“
Sigrid: „Um diese Erinnerungen in deiner Kunst annähernd so umsetzen zu können wie du sie erlebt hast, hast du ja eine sehr spezielle Technik entwickelt. Du malst mit Füller – aber in sehr großen Formaten und die Bilder haben eine immense Leuchtkraft. Wie schaffst du es, solche ungewöhnlichen Werke mit einem so „gewöhnlichen“ Werkzeug entstehen zu lassen?“
Axel: „Das ist eine gute Frage. Aber ich kann sie dir nicht beantworten. „Just do it“ – so habe ich damals die Aufgabe angepackt. Mir ging es um die originalgetreue Abbildung des Gesehenen. Ich wollte keine Interpretation abliefern, sondern purer Vermittler einer Erfahrung sein. Ich bin nichts, die Sache ist alles. Die spezielle Riffelung dieser Welten war die größte Hürde. Mit dem Füller ging das dann plötzlich und so hat sich nach und nach die besondere Technik herauskristallisiert. Vermutlich liegt es an der Feder, dass die Feinheiten und die Leuchtkraft so klar hervortreten, aber ich weiß es wirklich nicht. Die Füllermaltechnik war schlicht die einzige Methode die geklappt hat, nachdem viele andere gescheitert waren.“
Sigrid: „Sehr interessant! Toll, dass du so lange experimentiert hast, bis sich die passende Technik gezeigt hat. Verwendest du handelsübliche Füller mit normaler Tinte oder hast du da spezielle Werkzeuge? Und welche Trägermaterialien benutzt du?“
Axel: „Ich male auf Papier. Die besondere Textur meiner Maltechnik verlangt nach einer glatten Oberfläche. Die Patronenfüller sind handelsüblich, aber von mir präpariert. Die Herausforderung liegt im Tintenleiter. Dieser ist nicht für Pigmente ausgelegt und verstopft leicht. Für meine Arbeit ist es jedoch wichtig, dass die Farbe lichtecht ist, also Pigmente enthält, und ununterbrochen fließen kann. Mit einer selbst gemischten Acrylfarbe habe ich diese Balance schließlich gefunden.“
Sigrid: „Vielen Dank für diesen Einblick in deine besondere Technik, Axel. Jetzt möchte ich wieder von der rationalen auf die emotionale Ebene wechseln. Auf deiner Webseite steht, dass du Synästhet bist. Synästhesie bedeutet vereinfacht ausgedrückt eine Verknüpfung von Sinneswahrnehmungen. Diese Fähigkeit hat natürlich auch Auswirkungen auf deine Kunst: Wie nimmst du Farben wahr und inwiefern bereichert diese spezielle Wahrnehmung deine Kunst?“
Axel: „Ich nehme Farben sowohl visuell, als auch als Klang wahr. Ich höre Farbtöne. Jedes meiner Bilder ist und hat eine eigene Musik. Auf der Rückseite meiner Arbeiten steht jeweils ein Musiktitel, der dem dieses Motivs am nächsten kommt. Während meine kleinen Arbeiten in sich geschlossene Lieder und Melodien bilden, sind meine überdimensionalen Bilder Symphonien. Da kommen die Klänge, oder besser gesagt, die Musik, mit einer enormen Wucht auf mich zu. Jemand hat mich mal als symphonischen Maler bezeichnet. Das hat mir gefallen. Die Synästhesie befeuert meine monumentalen Projekte. Ich plane meine „Gemäldesymphonien“ als audiovisuelle Live Performances erfahrbar zu machen, indem ich sie mit einer besonderen Lichtchoreographie und Musik in Szene setze. Dann können meine Farbwelten anfangen zu atmen, zu pulsieren, zu leben – ein Wahnsinn wir das werden.“
Sigrid: „Das klingt ja wirklich sehr spektakulär! Apropos in Szene setzen: Gibt es ein spezielles Präsentationskonzept für Deine „normalen“ Ausstellungen? Wie zeigst Du Deine Arbeiten, um den Besuchern ein bestmögliches Sinneserlebnis zu ermöglichen?“
Axel: „Mir geht es um die Wirkung meiner Bilder. Um meine Motive hautnah spürbar zu machen, setze ich sie mit Licht und Musik in Szene. Wenn das Lichtkonzept stimmt, dann öffnet sich etwas. Sowohl im Bild, als auch im Betrachter. Mit der Musik baue ich die Brücke dazu, so dass unterschiedliche Sinneswahrnehmungen auch verschmelzen können.“
Sigrid: „Ich kann mir vorstellen, dass nach dieser stimmungsvollen Beschreibung jetzt viele Leser/innen wissen möchten, wo sie in nächster Zeit in den Genuss eines solchen Erlebnisses kommen können. Gibt es aktuelle Ausstellungs-Termine oder Vorankündigungen für die nahe Zukunft?“
Axel: „Zeitnah ist relativ. Februar/März 2021 planen wir eine monumentale Ausstellung mit meiner Roten Symphonie in der Votivkirche in Wien. Mit seinen 13 x 9,5 Metern verlangt dieses Bild schon nach ganz besonderen Räumen und die Votivkirche ist ein echter Traumort. Die Rote Symphonie besteht aus 196 unterschiedlichen Tafeln mit 196 verschiedenen Symbolen, die in einen überdimensionalen Farbübergang von Gelb ins Blau eingebettet sind. Ich freue mich wahnsinnig darauf. Ich habe sehr lange an diesem Bild gearbeitet und es ist etwas Besonderes, es endlich zeigen zu dürfen! Aktuell sammelt mein Management Fördermittel dafür und spricht Sponsoren an. Im Herbst 2021 geht es dann mit einer Ausstellung in einem Archäologiemuseum in Oldenburg weiter. Dort werden meine Arbeiten mit Kunst aus der Eiszeit kontrastiert. Kuratiert wird die Produktion von meiner Frau Patrizia Neumann. Sie untersucht die mögliche Verbindung von Höhlenkunst und veränderten Bewusstseinszuständen. Die sehr spannenden Details dazu verraten wir dann gerne vor der Ausstellung.
Wer es jetzt besonders eilig hat, meine Arbeiten zu sehen, der sei hiermit herzlich zu einem Atelierbesuch nach Berlin eingeladen. Meine Frau und ich machen gerne persönliche Führungen. Natürlich kann man mich auch auf den klassischen sozialen Netzwerken besuchen und ein wenig hinter die Kulissen meines Ateliers blicken: www.instagram.com/fuellermagie und www.facebook.com/fuellermagie„
Sigrid: „Lieber Axel, herzlichen Dank für das interessante Interview und die tiefen Einblicke in Dein Schaffen! Ich freue mich, auch zukünftig von Deinen Projekten zu berichten und Dich und Patrizia vielleicht 2021 persönlich in Wien zu treffen.„
Abbildung: ©Axel Neumann