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Meisterhaftes in Bremervörde

Kunst ist Leben – das Leben ist eine Reise

Sonnabend der 24. September 2011. ¼ vor 5. Vorgestern hielt ich noch ein Perezoso, ein Faultier, im Arm. Gestern sangen Jurgen, mein Taxifahrer in Lima und ich noch im Chor zum 20jährigen Jubiläum von Nirvana’s Nevermind „…here we are now, entertain us“. Heute will ich um 18.00 Uhr in Bremervörde (D) sein, wo die Neuen Meister dank des Bremervörder Kultur- und Heimatkreises endlich mal wieder eine Gruppenausstellung im Norden abhalten. Bremervörde ist gut 50 Minuten von Rotenburg Wümme, meinem Wohnort entfernt. Sollte also zu schaffen sein. Alles Nötige in meiner Handtasche verstaut und dann los. Doch ich komme nicht weit. 5 Wochen Stillstand waren zu viel Abstinenz für meinen Kangoo und so bedarf es der ACE Pannenhilfe um 2 1/2 Stunden später endlich im Bachmann Museum aufzuschlagen, von wo ich im letzten Jahr noch von Kaikaoss‘ Ausstellung berichtete. Von der offiziellen Eröffnungsrede und der, wie mir bestätigt wurde, zauberhaften Gesangsdarbietung von Anke Lehrer habe ich leider nichts mehr mitbekommen. Trotzdem sind die alten Räume auch mehr als eine Stunde nach Eröffnungsbeginn noch immer erstaunlich voll mit interessierten Besuchern, die sich zu einer Reise in die meisterhaft phantastischen Welten der sechs Künstler verführen lassen.

Wie ich hier erfahre war ich nicht die Einzige mit Startschwierigkeiten. Auch Siegfried Zademack (D) brauchte gewisse Unterstützung um seine Karosserie, übrigens ebenfalls ein Kangoo, in’s Städtchen an der Oste zu befördern. Doch auch er hat es hierher geschafft und überzeugt mit mitunter riesigen Werken, die er zum Teil für die im November anstehende Ausstellung im Phantastenmuseum in Wien (A) fertiggestellt hat. 23 Bilder, natürlich auch kleine, hat er in diesem Jahr bereits gemalt, wie er mir später erzählt. Eine unglaubliche Leistung, wenn man bedenkt, mit welcher Genauigkeit und Perfektion er seine Werke ausführt.

In die Gruppe geholt hat ihn Roland Heyder (D), dessen Bilder von einer ähnlichen Präzision aber doch einer ganz anderen Art zu komponieren leben. Gegenseitig, aber ohne einander zu begegnen bestaunten die beiden Künstler einst ihre Bilder auf der Art Basel, wie sie erst Jahre danach herausfanden. Für Roland ist dies nun eine besondere Ausstellung mit seiner Gruppe, denn der gebürtige Singener will sich in drei Tagen einen Lebenstraum erfüllen und auf die Kanaren auswandern. Er bleibt den Meistern erhalten, allerdings wird sich seine Teilnahme an Ausstellungen wohl auf einmal jährlich beschränken.

Gerd Bannuscher aus Schleswig-Holstein bleibt im Norden, auch wenn er für Aufträge des Scheichs oft in den Oman reist. Meine Aufmerksamkeit im Raum von Gerd richtet sich besonders stark auf seine gigantischen Affen, wurde ich doch selbst noch letzte Woche von einem Black Spider Monkey durch die peruanische Selva – den Djungel – gejagt. Für die Studien zu seinen Schimpansen brachte Gerd zum Teil 8 Stunden im Hannover Zoo zu und weiß einiges über den 74-jährigen Leader der Affenbande zu erzählen, der mittlerweile in den Ruhestand gegangen ist und seine Frauen und die meisten Führungsaufgaben an einen Jüngeren abgegeben hat, denn normalerweise werden Schimpansen in freier Wildbahn nicht ganz so alt.

Im Werk von Ines Scheppach blickt mich heute besonders der Kreislauf des Lebens an. Sie erfasst die verschiedensten Phasen der menschlichen Existenz, die Wildheit der Kindheit, die Sehnsucht nach Liebe, Lust und Gemeinsamkeit des Erwachsenwerdens und -seins und das Zurruhekommen im Alter in unglaublich präzisen und für mich unmissverständlichen Allegorien. Und das in einer Technik die mir jedesmal den Mund offenstehen lässt … mit feinsten und allerfeinsten Buntstiftstrichen. Umso mehr erstaunt mich die Aussage, dass ein Bild keinesfalls so bleiben muss, wie es ist. Nein. Ines geht auch schon mal mit Schmirgelpapier und anderen brutalen Hilfsmitteln zu Werke, wenn sie meint, dass ein Bild noch einmal der Überarbeitung bedarf.

Doch muss ein Gemälde schmerzen? Muss ein Gemälde auch noch die Schattenseiten des Lebens in den Fokus stellen? Für Michael Krähmer sind diese Fragen unbedingt mit einem Nein zu beantworten. Für ihn ist es viel wichtiger transzendente Visionen von zauberhaften Landschaften zu erschaffen zu denen er sich mitunter auf Reisen in ferne Länder inspirieren lässt. Die Vision davon wo er gerne hinmöchte – ich denke damit meint er ein Empfinden, einen Seelenzustand – findet sich in seiner Fülle an pastösen träumerischen Landschaften wieder.

Ja… Reisen! Reisen die beginnen, Reisen in vollem Gange, Reisen, die zuende sind. Und da sind wir wieder bei den Fortbewegungsmitteln. Da sind wir wieder bei den Autos… da sind wir bei der Poesie der unbelebten Materie. Da sind wir beim „Lastwagenmaler“. Wir sind bei Joachim Lehrer. Ich weiss nicht, ob er heute auch in seinem umgebauten Feuerwehrwagen angereist ist, aber ich sehe, dass es hier ein handwerklich exzellenter Künstler schafft Gegenständen, die normalerweise den Zweck erfüllen, dass sie einen von einem Ort zum nächsten befördern Leben einzuhauchen und durch ihren Stillstand Geschichten entstehen lässt.

Unverwechselbar führt jeder dieser Künstler in eine eigene, seine ganz eigene und doch durch ihre Hintergründigkeit allgemein gültige Welt. Jeder der Räume im Bachmann-Museum führt uns in ein anderes Universum doch das Phantastische daran ist, dass die Neuen Meister ganz unverkennbar zusammengehören und zusammenspielen.

Später bin ich froh, dass mein Auto nach einem tollen Abendessen im Kreise von Künstlern und Veranstaltern und einigem Tischerücken und philosophischen und lebensrelevanten Themen wieder anspringt und mich heil und beschwingt zurück nach ROW bringt.

Text und Bilder: Daniela Wolter

2 Gedanken zu „Meisterhaftes in Bremervörde

  • Hallo Herr Oppermann, der Link wurde soeben ergänzt.
    Liebe Grüße,
    Sigrid Nepelius

  • Sehr geehrte Frau Wolter,
    wir, der Bremervörder Kultur- und Heimatkreis e.V., freuen uns sehr über ihren umfangreichen und interessante Bericht über die Ausstellung der „Neuen Meister“ in Bremervörder. Ich bitte Sie jedoch, einen Link auf unsere Homepage (www.kulturundheimat.de) einzurichten, wie bei ihrem Bericht über die Ausstellung von Kaikaoss.

    Mit freundlichen Grüßen
    Alexander Oppermann
    stv. Vorsitzender und Web-Master des Bremervörder Kultur- und Heimatkreis e.V.

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